Paul Neumann (Gitarre)
Bochum Wattenscheid
„Der den Unterschied von angenehmer und unangenehmer Stille definiert“
Von Rockorchester Gitarrist Paul Neumann, der eigentlich Frank Müller heißt und im „wirklichen Leben“ hochgeschätzter Klavierstimmer ist. Der Mann mit dem Wahnsinns-Schwingergriff
Sounds of silence – unvergessen ist das epos von Simon and Garfunkel aus dem Jahr 1966. Gitarrenvirtuosen, die beiden, die uns lehrten, auf die leisen Töne zu lauschen. Oder gar auf die Stille, the sounds of silence. Womit wir beim Thema wären. Bei der Gitarre. Beim absoluten Gehör. Bei der Stille. Bei Paul Neumann, dem Gitarristen des Rockorchesters Ruhrgebeat. Denn während es (Paul) Simon und (Art) Garfunkel bei bloßen „sounds of silence“ bewenden ließen, geht Paul Neumann einen deutlichen Schritt weiter: Er unterscheidet zwischen angenehmer und unangenehmer Stille. Wenn Sie also bisher dachten, still sei gleich still, dann haben Sie was verpasst. Nämlich einen Besuch bei Paul Neumann.
WATTENSCHEID Still ist nicht still, so wie sauber nicht rein ist. Und Paul Neumann ist nicht Paul Neumann. Sondern ausweislich des Klingelschildes vor seiner Wohnung in Wattenscheid Frank Müller. „Der Paul Neumann ist mir mal verpasst worden. Du kannst mich auch als Monty Montagne haben, das ist auch so ein Etikett.“ Der lange, blonde Kerl, den wir bisher nur als Paul kennen, lacht herzhaft. „Komm ‚rein!“ Da sind wir also, bei Paul, Frank und Monty – wie man auch immer mag – und bei seiner Familie, also bei seiner Frau Claudia und seinen drei Kindern David, Celina und Tristan. Der Beginn dieser Begegnung ist also ebenso spannend wie irritierend wie liebevoll gewinnend. Und verblüffend geht es weiter: „Du bist pünktlich. Das ist höchst professionell. Darauf lege ich Wert.“ Ein Rocker, der auf den Minutenzeiger der Uhr blickt? Wer ist dieser Paul Neumann wirklich?
…wer ist dieser Paul wirklich?
2009 In Gelsenkirchen „Rock in den Mai“
© Foto: N.Arbeiter
Klavierbauer und -stimmer ist er von Beruf. Weil er eigentlich Gitarrenbauer werden wollte. „Das hat aber nicht funktioniert, weil die Anforderungen zu hoch waren.“ Gleichwohl hat Paul Neumann alias Frank Müller „vor ‚zig Jahren“ mal eine eigene Gitarre gebaut. „Die findet mein Sohn heute ganz toll.“ Der Gitarrist, der kein Gitarrenbauer werden konnte: Das klingt nach einem Drama und vielleicht war es das auch. Ersatzweise versuchte sich Paul als Azubi zum Kinderkrankenpfleger, bis seine Mutter ein Zeitungsinserat las: „Klavierbauer gesucht.“ Wer liest, ist klar im Vorteil – und Paul stellte sich unter der angegebenen Adresse vor: Im Tischlerhandwerk war er begabt, musikinteressiert und engagiert, brachte ein gutes Gehör mit. Der Meister stellte ihn ein, wie ein halbes Dutzend Bewerber zuvor. Die hatten es alle (!) nicht gepackt. Sollte die Nummer sieben besser sein? Wahrscheinlich hatte Paul keine Chance – aber die nutzte er konsequent.
Er erlernte den Beruf des Klavierbauers von der Pieke auf und weil ins berufliche Umfeld auch der Klavierstimmer gehört, wurde er irgendwann gedrängt, ein Tasteninstrument zu stimmen. Wohlgemerkt: Paul spielt Gitarre. Was er nicht spielt, ist ein Blasinstrument. Und ein Tasteninstrument schon mal gar nicht. „Es war ein beschwerlicher Weg zum Klavierstimmer“, sagt er heute, Jahre später. Denn inzwischen ist er „der Klavierstimmer aus Wattenscheid“. Er hat seinen Ruf und einen erlesenen Kundenkreis. Und Aufträge, die man nicht für möglich hält. Da gibt es die Sache mit der angenehmen Stille. Paul Neumann stimmt in der Bleckkirche in Gelsenkirchen vor Publikum den Flügel – 20 Minuten lang. Danach betritt der Meister die Bühne, setzt sich ans Instrument. Er spielt – nicht. Viereinhalb Minuten dauert das Stück, das nur aus Stille besteht. Kein Ton erklingt.
Paul stimmt ein -bei der Premiere „Don Giovanni“ im Aaltotheater.
© Foto: privat
Es gibt auch eine unangenehme Stille, erzählt Paul Neumann. „Abends kurz vor acht schellt das Telefon. Dran ist ein Konzertveranstalter. Götz Alsmann soll bei ihm auftreten, doch der Münsteraner ist ungehalten. Es ist was schiefgegangen. Alsmanns Instrument ist ungestimmt, das Konzert droht deshalb eine Pleite zu werden.“ Oh Gott! Es wird ein wahrer Noteinsatz. Paul Neumann flitzt los und stimmt den Flügel für Götz Alsmann vor Publikum. „Eine ganz unangenehme Stille war das im Saal.“ Doch alle ergeben sich in ihr Schicksal und Götz Alsmann liefert höchste Qualität ab. Das Klavier zu stimmen ist mehr, als die Tonfolge sauber abzustimmen. In des Wortes wahrer Bedeutung wird die Stimmung des Instrumentes eingestellt und viele Pianisten haben ein eigenes Anforderungsprofil. Pedaldruck und Anschlag werden wunschgemäß eingestellt, Naturtöne werden zur Wohltemperierung hin bewegt. „Manches ist messbar, vieles auch nur fühlbar“, sagt Paul Neumann und gibt sich die größte Mühe, den Wünschen des Pianisten zu entsprechen. Denn es geht unterschwellig auch darum, dem Virtuosen die Angst vor der Blamage zu nehmen. Neumann: „Man muss das verstehen. Der Pianist ist der einzige Musiker, der sein Instrument nicht mitnehmen kann.“ Also kommt er immer in eine für ihn neue Halle, an ein für ihn neues Instrument. Klavierstimmer und Pianist verschmelzen zu einer Schicksalsgemeinschaft. Deshalb verfolgt Paul Neumann, nachdem er sein Werk vollendet hat, den Gang des Konzertes.
Rockorchester-Gitarrist Paul Neumann: Energie pur. Pauls Markenzeichen:
Der 360-Grad-Schwung mit einem Wahnsinnsgriff . . .
. bei dem alle Saiten mit präziser Kraft erreicht werden.
© Foto: privat
Oft ist seine Tochter Celina (14) dabei. Sie lernt übrigens Klavier und Geige. Auch David (9) lernt Klarinette. Ganz anders ist da Tristan (16). Tristan, entschuldige, aber: Du siehst nicht nur so aus wie Dein Vater auf alten Bildern, Du bist auch ein ebenso unbändiger Typ wie Dein alter Herr es gewesen sein muss. Pauls Vater Hans Müller spielte im Ruhrgebiet ‚rauf und ‚runter, hatte um sich die „Jonny Miller Band“ geschart. „Er hatte so eine Bill-Haley-Gitarre“, erzählt Paul mit Glanz im Auge. „Die habe ich mir unerlaubt genommen.“ Das Ergebnis war ein Donnerwetter – weil das Instrument sakrosankt war. Und weil Papa Hans keinen zweiten Gitarristen in der Familie wollte. Aber da war wohl nichts zu machen: Paul bestand darauf, Gitarre zu lernen und er trotzte „seinem Alten“ Instrument und ein paar Grund(be)griffe ab. „Heute ist Vater stolz wie Oskar“, schmunzelt Paul im Gespräch – und man merkt ihm an, dass er dankbar ist, den eigenen, schwierigen Weg gegangen zu sein, die Prüfungen des Lebens bestanden zu haben. Paul Neumanns künstlerischen Werdegang kann man kaum mit der Gerantie auf Vollständigkeit niederschreiben; zu viel war in den Jahren los, in zu vielen Bands hat Paul mitgespielt. Doch wenn er erzählt, dass er einst in Berlin die Anfänge der Neuen Deutschen Welle mitbekam, dann weiß man, dass da ein wandelndes Musiklexikon spricht . . .
Nicht nur der Schwung im Arm sondern auch der Sprung in die Höhe
sind seine Spezialtät auf der Bühne Foto: N.Arbeiter
So sah er als junger Gitarrist aus, heute ähnelt ihm sein
Sohn Tristan fast aufs Haar: Paul Neumann © Foto: privat
Start des Rockorchesters war für den Paul
der „Jahrtausend-Volltreffer“
„Auftritt im Musiktheater Gelsenkirchen war das Größte. >Das ist unwiederholbar. Die Gäste waren schier atemlos< Paul Neumann legt Wert auf Etikette und Unverwechselbarkeit. In der Wahl seiner Instrumente drückt sich der Individualist aus. Er spielt die Gitarre von John Lennon und George Harrison von den Beatles, die Rickenbacker. „Ist eine Art der Abgrenzung“, sagt Neumann über Neumann. Und ergänzt, dass seine zweite wichtige Gitarre die Telecaster von Fender ist. „Die ist genau mein Ding!“ Die gilt als Klassiker unter den E-Gitarren. Diese Gitarrenwahl hat ihn in der Szene bekannt gemacht – und seine Mitgliedschaft in der Band mit dem unaussprechlichen Namen TONY HONK & THE ORIGINAL LONG TALL TURTLE TUBBSIES REVIVAL BAND AVEC THE INCREDIBLE BLIND LOUD AND COLOURED ROCK ´n ROLL PSYCHO STOMPERS featuring MAXI STULZ. Daraus entwickelte sich die erste Kernband des Rockorchesters Ruhrgebeat – mit Paul Neumann an der Gitarre und als Tausendsassa der Musik. Der erste große Auftritt der neuen Formation war – noch im alten Jahrtausend konzipiert – im Musiktheater Gelsenkirchen. „Dieser Auftritt war das Größte. Unser Start war eine Vision. Hans von der Forst und ich wußten nicht, was da auf uns zukam, doch das Konzert war einfach unwiederholbar.“ Der Gig im legendären Jahr 2000 ging als erster Höhepunkt in die Geschichte des Rockorchesters ein.
Allerdings trennten sich danach erst einmal des Gitarristen und musikalischen Leiters in Personalunion, Paul Neumann, und des ROR-Beseelers Hans von der Forst Wege. Paul machte bis 2007 Pause vom Rockorchesterm tobte sich in anderen Bands aus und wurde dann wieder ins Rockorchester geholt. Seitdem sind Rickenbacker und Telecaster prägende Elemente einer jeden Bühnenshow des Rockorchesters – weil an der Gitarre Paul Neumann arbeitet. „Alles auf der Bühne bin ich. Da lasse ich meine ganze Energie raus, pure Energie.“ Die großen, kreisenden Armbewegungen, mit denen er die Saiten anschlägt, verfehlen ihre Wirkung nicht – nicht auf die Saiten, nicht auf die Gitarre, nicht auf die Zuhörer. Paul Neumann: „Ich gebe überall 150 Prozent. Es gibt für mich keine 60 Prozent! Nicht im Beruf und erst recht nicht auf der Bühne vor unserem Publikum.“ Und so gibt es eine Art Energieüberschlag, einen Lichtbogen der Musik, wenn Paul Neumann auf der Bühne steht. „Ich spiele, weil es mir Spaß macht und finde es schön, wenn es den Leuten gefällt!“ So einfach ist das für Paul . . .
Das war im Jahr 2009 der heimliche Höhepunkt des Rockorchesters:
Beim Auftritt in der Grugahalle – Paul hier mit „Kiki“ Müller-Espey
– wurde die Hymne für das Kulturhauptstadt-Ereignis Ruhr 2010 vorgestellt:
„Hier brennt ein Feuer“. © Foto: Rokita
Paul:
Mein Vater spielte seinerzeit in den 50ern in einer Rock´n Rollband Gitarre. Also lag es nahe in seine Fußstapfen zu treten und es ihm gleich zu tun. Die Intialzündung selbst „richtig“ Musik zu machen, war aber als ich zum ersten Mal THE WHO und THE CLASH hörte. Bis dahin kannte ich nur die BEATLES (immer noch einer meiner absoluten Lieblingsbands), die alten Rock´n Roll Platten vom Vater, und das was damals im Radio gespielt wurde. THE WHO und THE CLASH waren und sind für mich pure Energie. Einen Song irgendwie zu spielen ist eine Sache, aber einen Song mit Energie und klingender Leidenschaft zu füllen ist eine andere. Das ist das, worauf es mir beim Gitarrespielen ankommt. Weitere wichtige Einflüsse sind FRANK ZAPPA, ELVIS COSTELLO, MADNESS, DEBUSSY, JOE PASS, THE JAM, SCHRÖDER ROADSHOW, J. HENDRIX, JOHNNY CASH, RUSH, BRAHMS, MUSE, EDITH PIAF, RED HOT CHILI PEPPERS, MUSSORGSKI, TSCHAIKOWSKI, UDO LINDENBERG, QUEEN, CHOPIN, RAMONES, LENINGRAD COWBOWS, ABBA, ZZ TOP u.v.a.
INFO Telegramm über Paul´s Banderfahrung (klick hier)
Schalker durch und durch……© Foto: privat
Er ist Schalker durch und durch. „Das wurde mir buchstäblich in die Wiege gelegt.“ Vater Hans ist nämlich sowas von Schalke-infiziert, dass der Sohn gar nicht anders als mit den Farben blau und weiß aufwachsen konnte,denn schon auf seinem Strampler prangte das S-04-Zeichen . Ganz am Rande: Das Größte sei es, in der Arena auf Schalke Musik zu machen, natürlich im Trikot – unser Bild belegt das mit entwaffnender Offenheit. Der Dress hängt bei Neumanns daheim direkt neben dem Sgt.-Peppers-Bühnenkostüm, mit dem man Paul Neumann ab und an beim Rockorchester erleben kann. Die typischen schwarz-weißen Schuhe, das Jakett, der schmale Schlips finden sich gleich nebenan. „Ist Wohlfühlkleidung“, sagt Paul Neumann. „Die trage ich auch in normalen Leben.“ Individualist eben. Ein Mann. Zwei Gitarren. Drei Namen. Und eine schmale Krawatte. Noch Fragen?
Stefan Aschauer-Hundt
Das kleine Gitarren-who-is-who: Rickenbacker-Gitarren als Delikatesse.Paul Neumann schwört auf seine Rickenbacker. Er hat damit ein „Alleinstellungsmerkmal“, wie man es in der Werbebranche nennen würde. Aber . . . so allein ist er auch nicht: Gitarren von Rickenbacker gelangten zu großer Beliebtheit bei Rockmusikern der 1960er-Jahre. Zu nennen wären unter anderem John Lennon und George Harrison von den Beatles, Roger McGuinn von The Byrds und Pete Townshend von The Who. In späteren Jahren entdeckten Gitarristen wie Tom Petty, Paul Weller von The Jam, Johnny Marr von The Smiths, Per Gessle von Roxette, Marty Willson-Piper von The Church, Brix Smith von The Fall, Peter Buck von R.E.M. und Susanna Hoffs von den Bangles ihre Vorliebe für Rickenbacker-Instrumente. Auf der Live-DVD der Britpop-Band Coldplay spielen Chris Martin sowie Jonny Buckland eine Gitarre dieser Marke. Zu den bekanntesten Bassisten, die einen Bass der Marke Rickenbacker spielen oder spielten, gehören zum Beispiel Mike Rutherford von Genesis, Chris Squire von Yes, Geddy Lee von Rush, Lemmy Kilmister von Motörhead, Roger Glover von Deep Purple, Hellmut Hattler von Kraan, Cliff Burton von Metallica, Joey DeMaio von Manowar, Carl-Johan Fogelklou von Mando Diao und Paul McCartney. Quelle: Wikipedia |
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